Die EZB geht ohne Zinssenkung in die Sommerpause
Nach dem Einleiten der Zinswende legte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli die erwartete Zinspause ein. Die Leitzinsen bleiben unangetastet auf einem restriktiven Niveau bis zum September, wenn der EZB mehr makroökonomische Daten für die Evaluation einer zusätzlichen Lockerung der Geldpolitik zur Verfügung stehen werden.
Schritt für Schritt ohne Eile: so scheint das neue Motto der Europäischen Zentralbank zu heissen. Dass das Einleiten der Zinswende im Juni die EZB heute zu keiner weiteren Zinssenkung verpflichtete, wurde im Vorfeld an den Finanzmärkten weitgehend erwartet. Im Gegensatz zum Juni musste die EZB kein monatelang angedeutetes Versprechen halten und konnte eine datenabhängige — das altbekannte Mantra — Entscheidung treffen. Letztlich war die heutige Sitzung eine Art Pflichtübung vor den Sommerferien, da wichtige Entscheidungsgrundlagen noch fehlten. Wie Valentino Guggia, Economist bei der Migros Bank erläutert: «Die Daten zum Wirtschafts- und Lohnwachstum in der Eurozone werden erst zum nächsten geldpolitischen Treffen vom 12. September vorliegen. So basierte der heutige Beschluss auf der Inflationsentwicklung und auf Erkenntnissen aus Umfragen.»
Das aktuelle Umfeld erfordert Vorsicht
Der Rückblick auf die Entwicklung der Inflation sei noch nicht völlig zufriedenstellend, meint Valentino Guggia: «Seit dem Tiefpunkt vom April sind keine Fortschritte mehr zu verzeichnen.» Zwar ist das EZB-Ziel mit dem Juni-Wert von 2,5 Prozent nicht mehr weit, aber die Teuerung der Dienstleistungen, die nach wie vor auf über 4,0 Prozent verharrt, erschwert zusammen mit dem deutlichen Tariflohnanstieg im ersten Quartal 2024 die letzte Meile der Inflationsbekämpfung. Die Rückkehr unter die 2%-Marke wird 2025 gemäss den EZB-Prognosen im Herbst erfolgen. «Dies birgt das Risiko, dass sich die Inflationserwartungen und somit die Forderungen der Arbeitnehmenden nach Lohnerhöhungen bei den nächsten Verhandlungsrunden auf einem Niveau einpendeln, das über dem Inflationsziel der EZB liegt», so Valentino Guggia.
Darüber hinaus zeigt die Umfrage zur Kreditvergabe im zweiten Quartal keine Veränderung der Kreditbedingungen, während die Kreditnachfrage in allen Segmenten aus einem tiefen Niveau anstieg. «Insbesondere setzte sich die Belebung der von privaten Haushalten beantragten Hypothekarkredite fort, was auf eine Zunahme der Bautätigkeit in den kommenden Quartalen hindeutet», so Valentino Guggia.
Eine Zinssenkung pro Quartal
Die EZB muss im aktuellen Umfeld die Geschwindigkeit der Lockerung ihrer Geldpolitik gut abwägen. Einerseits würde eine zu schnelle Senkung der Leitzinsen einen Preisdruck sowohl durch die Zunahme der Kreditnachfrage als auch durch die relative Verteuerung der Importe bewirken. Andererseits kann sich die EZB ein zu langes Zögern nicht leisten. Das hohe Leitzinsniveau belastet die noch schleppende Konjunkturerholung und setzt die öffentlichen Finanzen einiger hochverschuldeter Mitgliedsstaaten der Währungsunion unter Druck.
Valentino Guggia resümiert: «So wird die EZB unserer Meinung nach eine Kompromisslösung bevorzugen und ab September die Leitzinsen quartalsweise um 25 Basispunkte senken.»
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